Alpenpässe und Alpentunnel: Geschichte und ökologische Probleme

Alpenpässe und Alpentunnel: Geschichte und ökologische Probleme
Alpenpässe und Alpentunnel: Geschichte und ökologische Probleme
 
Die Alpenpassstraßen gehen großenteils auf Saumpfade aus vorrömischer Zeit zurück. Mit Einführung des modernen Fernverkehrs durch Eisenbahn und Automobil ist neben den Passstraßen die Bedeutung der Tunnels immer wichtiger geworden. Durch die explosionsartige Zunahme des LKW-Fernverkehrs ab den 60er-Jahren wäre die Verlagerung der Gütertransporte von der Straße auf die Bahn der wohl beste Weg, einem Umweltkollaps dieser Region noch zu entgehen. Für eine solche Verlagerung sprechen auch die beiden Brandkatastrophen, die sich 1999 in Alpentunnels ereigneten.
 
 Geschichte der Alpenpässe
 
Schon die Römer folgten alten Saumpfaden
 
Die Alpen waren schon in vorrömischer Zeit mit einem Netz von Saumpfaden überzogen. Die Römer legten dann Straßen an, die diesen Pfaden folgten und bis ins Mittelalter hinein benutzt wurden. Dabei mieden sie meist den Talboden, da er zu sumpfig war. Sie führten ihre Straßen am Hang entlang, der zur Sonne hin gelegen war. Dafür nahmen sie oft einen steilen Anstieg in Kauf. Der karthagische Feldherr Hannibal überquerte im Jahr 218 v. Chr. die Alpen mit seinen Elefanten und erschütterte die römische Machtstellung. Als sich die deutschen Könige auf ihre Züge nach Rom machten, benutzten sie vor allem den Brenner als Alpenübergang, dazu aber auch den Großen Sankt Bernhard, den Septimer und den Mont Cenis. Als sich das Landesfürstentum durchsetzte, führte dies auch dazu, dass viele der bisherigen Alpenstraßen verödeten, da man nun andere Straßen benutzte. So wurde nunmehr die »Venediger Hauptstraße« benutzt, die von Wien über den Neumarkter Sattel, den Saifnitzer Sattel ins Tagliamentotal oder über den Predilpass zum Isonzotal führte. Sie löste eine der römischen Straßen am östlichen Alpenrand ab, die auch eine der großen Heerstraßen der Völkerwanderungszeit war, nämlich die Route AquilejaLjubljana — Cilli — Pettau — SteinamangerCarnuntum. Zum Brenner entstand ein neuer Zugang, die »Strada d«Almagna«, die die Piave hinauf durch die Dolomiten nach Toblach führte. In den Westalpen entstand Anfang des 13. Jahrhunderts der Gotthardweg. Er gewann rasch an Bedeutung und wurde — wie der Brenner im Osten — der wichtigste Verkehrsweg, der alle anderen überflügelte, so auch den Großen Sankt Bernhard und den Septimer.
 
Viele Hospize
 
An den Pässen entstand eine große Zahl an Hospizen, in denen die Reisenden Unterkunft fanden. Berühmt wurde vor allem das Hospiz, das der heilige Bernhard von Menthon auf dem nach ihm benannten Pass gründete. Zu seinem Ruhm trug vor allem auch die Zucht der Bernhardiner (Sankt-Bernhards-Hunde) bei. Als im 16. und 17. Jahrhundert der Pilgerverkehr über die Alpen nachließ und auch der deutsch-italienische Handel schwächer wurde, verfielen viele Alpenstraßen. Die Post und die Kuriere nutzten nur noch wenige, ausgewählte Strecken. So gab es zur Zeit von Napoleon I. in den Ostalpen nur noch drei Routen, die befahrbar waren: Semmering, Radstädter Tauern und Brenner. Napoleon ließ die Straßen in den Westalpen über den Mont Genève, den Mont Cenis und den Simplon bauen.
 
Wege für die Eisenbahn
 
Die Alpenstraßen, die dann im 19. Jahrhundert entstanden, orientierten sich an ihrem Vorbild. Zu dieser Zeit, also Mitte des 19. Jahrhunderts, entstanden die ersten Trassen für ein neues Verkehrsmittel, die Eisenbahn. Diese Eisenbahnlinien folgten zunächst ausschließlich den alten Passwegen, sodass sie über die Pässe selbst führten oder mit einem kurzen Scheiteltunnel durch den obersten Teil des Gebirgskörpers. Die erforderliche Höhe erlangten die Eisenbahnen, indem sie auf langen Strecken an den Talflanken entlangfuhren und dabei oft in Seitentäler abbogen. Eine Vereinfachung der Streckenführung von Straße und Bahn sowie eine Verringerung der Höhenunterschiede ergab sich dann erst später, als mit dem Bau der Tunnels durch die Alpen begonnen wurde.
 
Wege für den Autoverkehr
 
Da sich im 20. Jahrhundert der Tourismus steigerte und auch die individuelle Motorisierung immer mehr zunahm, wurde vor allem das Straßennetz und weniger die Eisenbahnstrecken ausgebaut. Dabei entstanden dann oft lange Basistunnel, die ihren Zugang in tiefen, klimatisch günstig gelegenen Tälern haben und so eine Streckenführung erlauben, die sich nicht mehr an den alten Wegen orientieren muss. Ein weiterer Vorteil dieser Lage ist die Tatsache, dass man hier nicht mehr in dem Maße wie auf den alten Strecken Steinschlag, Schneeverwehungen und Lawinen ausgesetzt ist. Allerdings sind auch heute die meisten Alpentransitstraßen nicht ganzjährig befahrbar, sodass die Kfz-Verladung auf die Bahn in den Alpen eine ganz besondere Rolle spielt.
 
 Der Alpentransit (Lkw-Gütertransport)
 
Enorme Zunahme des Güterverkehrs seit den 60er-Jahren
 
Alpentransit bedeutet LKW-Gütertransport über die Alpen. Durch die enorme Zunahme des Güterverkehrs seit den 60er-Jahren hat sich eine immer stärkere Umweltbelastung durch Abgase, aber auch durch Lärm ergeben. Deshalb wurde vorgesehen, den Güterverkehr in zunehmenden Maße von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Österreich schloss 1993 einen Vertrag mit der EG, der vorsieht, den Schadstoffausstoß, der vom Alpentransit ausgeht, bis 2004 um 60% zu senken. Dieser Vertrag blieb auch nach dem EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 in Kraft. Dies wurde durch den Kompromiss erreicht, dass Österreich bei den Beitrittsverhandlungen sich einverstanden erklärte, den Vertrag schon 2001 aufzulösen, wenn bis dahin die Senkung der Schadstoffwerte bereits erreicht sei. Österreich hat in den vergangenen Jahren durch Ausbau des Schienennetzes einige Milliarden DM in den kombinierten Verkehr zwischen Schiene und Straße investiert. 75% des Alpentransits durch Österreich laufen über die Brenner-Autobahn. Die Steiermark wird ab dem Jahr 2002 eine bessere Anbindung an den Wirtschaftsraum Norditalien erhalten. Bis dahin soll der Semmering-Eisenbahn-Basistunnel auf der Strecke Wien — Graz fertig gestellt sein. Eine weitere Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur wird mit der Fertigstellung des Brennerbasistunnels auf der Strecke zwischen Innsbruck und Franzensfeste/Südtirol erfolgen, die für das Jahr 2005 geplant ist.
 
Die Schweizer stimmten für eine Verlagerung auf die Bahn
 
Die Schweizer stimmten in einem am 20. 02. 1994 abgehaltenen Volksbegehren mit 52% dafür, ab 2004 zu verbieten, dass auf Schweizer Straßen Transitgüter transportiert werden. Von da an soll dieser Transport nur noch auf der Schiene erfolgen. Für 2010 ist die Fertigstellung der »Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT)« geplant, deren Bau 1993 begonnen wurde. Sie wird über zwei Tunnel unter dem Sankt Gotthard und dem Lötschberg verlaufen.
 
Brandkatastrophen 1999
 
Für eine Verlagerung auf die Schiene spricht auch die Entwicklung im Jahr 1999, als sich bei zwei Brandkatastrophen im Mont-Blanc-Tunnel und im Tauern-Tunnel wieder einmal zeigte, wie ungenügend im wirklichen Unglücksfall die Sicherheitsvorkehrungen und Rettungsmöglichkeiten in den Tunnels sind, wenn durch LKW-Unfälle Brände entstehen und sich rasend schnell ausbreiten. Die betroffenen Regierungen in Frankreich, Italien und Österreich haben zwar eine umgehende Besserung der Sicherheitsbedingungen zugesagt, doch bleibt angesichts der Kosten und der aufzuwendenden Zeit für diese Verbesserungen abzuwarten, was sich davon im Sinne der Verkehrssicherheit umsetzen lässt. Eine Verlagerung des LKW-Güterverkehrs auf die Bahn scheint da die praktikablere Lösung zu sein, was Sicherheit und Umweltschutz angeht.
 
 Tunnel und Bahnen
 
Die Tunnel werden immer wichtiger
 
Mit dem Bau der Tunnels verlieren die großen Passstraßen immer mehr an Bedeutung. So wird der Große Sankt Bernhard nur noch wenig befahren, seit im Jahr 1964 ein Straßentunnel eröffnet wurde, der ihn unterquert. Die Passhöhe liegt bei 2 469 m, etwa 550 m unterhalb führt der Tunnel durch den Berg.
 
Seit Anfang des Jahrhunderts
 
Bereits 1906 eröffnet wurde der Simplon-Eisenbahntunnel, der knapp 20 km lang ist. Er war eine technische Meisterleistung, denn es wurde ein Parallelstollen zur Belüftung angelegt und zudem mussten Wassereinbrüche von bis zu 1 200 l pro Minute beherrscht werden. 1913 wurde der Lötschbergtunnel seiner Bestimmung übergeben. Er hat eine Länge von 14,6 km. Beide Tunnel sind gemeinsam eine der wichtigsten Verkehrsachsen der Westalpen in Nord-Süd-Richtung. In den 70er-Jahren entstand unter der Furka ein Eisenbahntunnel. Er hat eine Länge von 14,4 km. Dieses Projekt war sehr teuer und sehr umstritten. Denn es bietet letztendlich doch keine wintersichere Alpentransitmöglichkeit, auch wenn hier die Bahn verkehrt. Der Grund: Die Autoverladestationen sind so hoch gelegen, dass sie im Winter immer wieder wegen Schneefällen gesperrt werden müssen. Von 1872 bis 1882 entstand die Gotthardbahn als ein Gemeinschaftsprojekt zwischen Deutschland, Italien und der Schweiz. Sie verläuft zwischen Andermatt und Airolo und ist 321 km lang. Dabei nutzt sie insgesamt 300 Brücken und 80 Tunnels. Der Scheiteltunnel ist allein 15 km lang.
 
Der längste Tunnel
 
1980 wurde der längste Straßentunnel der Welt eröffnet. Es ist der Gotthard-Straßentunnel mit einer Länge von 16,3 km. Allerdings ist diese Route auch für den Güterfernverkehr mittlerweile so attraktiv geworden, dass die Anwohner im Reußtal vom Urnersee bis nach Göschenen unter einer unerträglichen Lärm- und Abgasbelastung leiden. Aus diesem Grund ist geplant, die Gotthardstrecke zwischen Arth-Goldau und Lugano zu einer modernen Hochleistungs-Flachbahn auszubauen mit einem 57 km langen Basistunnel zwischen Erstfeld (Uri) und Bodio (Tessin). Die gesamte Neubaustrecke ist 125 km lang und soll bis 2006 fertig gestellt werden.
 
Vorteil auch für die Touristen
 
Ein Vorteil wird der Ausbau der alten Via-Mala-Strecke vor allem für Touristen sein, denn einige Pässe in diesem Gebiet werden nicht mehr sehr befahren sein. So wird es dem San Bernardino ergehen, der eine Passhöhe von 2 065 m hat und erst vor einigen Jahren ausgebaut wurde. Ebenso wird es der Fall sein beim Lukmanierpass (Passhöhe: 1 917 m), der im Norden auf das alte Wegekloster Disentis mündet. Ebenfalls ins Hintertreffen geraten ist der Splügenpass, die Verbindung zwischen dem Hinterrheintal und dem Comersee, der seit Eröffnung des Bernardinotunnels seltener befahren ist und auch im Winter nicht mehr offen gehalten wird. Ob die Touristen allerdings eine Ruhe und eine Landschaft vorfinden werden, wie sie bereits Fontane (am San-Bernardino-Pass im Jahr 1875) und Nietzsche (am Splügenpass im Jahr 1872) begeisterten, bleibt angesichts der Entwicklung von Technik und Verkehr fraglich.
 
 
Siegrist, Dominik: Pässespaziergang. Wandern auf alten Wegen zwischen Uri und Piemont. Zürich 1996.
 Geser, Rudolf: Die schönsten Alpenpässe. 50 Motorradtouren. München 41999.
 auf der Maur, Franz und Brigitte: 40 Passabenteuer. Wanderungen und Fahrten über Schweizer Pässe. Zürich 1999.

Universal-Lexikon. 2012.

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